12. Dezember 2022
Linneser Frauen auf „Einkaufstour“ – Erinnerungen an Kleinlindener Geschäfte
„Zum ersten Mal in meinem Leben eine Banane gegessen. Werde das nie wieder tun ….“ Ob Jules Renard (1864 – 1910), von dem das Zitat stammt, rückfällig geworden ist, wissen wir nicht. Elisabeth Pausch jedenfalls hat später noch viele Bananen gegessen, obwohl sie nach der ersten Kostprobe genauso fühlte wie der französische Schriftsteller.
Beim Treffen der Linneser Frauen am 12. Dezember ging es um die einst in Kleinlinden ansässigen Geschäfte und eben auch um die Frage, ab wann es so exotische Früchte wie Bananen und Mandarinen vor Ort gegeben haben mag. Kolonialwaren wie Kokosnüsse konnte man jedenfalls nur „in Gießen“ kaufen, so die übereinstimmende Meinung der Frauen. Gemüse holte man sich aus dem eigenen Garten, und wer Kühe hatte („beim Schuster Mohr gleich hinter’m Haus“) war mit Milch und Butter stets gut versorgt. Jedes Viertel hatte seine Geschäfte, ob Metzger, Bäcker oder Lebensmittel. Einmal pro Woche gab es Fisch im Konsum, Schellfisch, Hering oder Kabeljau. In Bernhardshausen wohnte der Pferdeschlächter Schilling. Apropos Pferdefleisch: In Japan, so die aus Tokio stammende Eri Weller, wurde Pferdefleisch als Delikatesse roh serviert.
Im Hof des „Strümpfchens“ wurde Eis verkauft, 10 Pfennig die Kugel. Eis gab es auch in der Wetzlarer Straße, beim „Lotze Konrad“. So, wie es eine Vielzahl an Geschäften gab, so existierte auch eine Vielzahl von Kneipen. Für den kleinen Hunger war dort gesorgt. „Beim Fränzchen gab es Hackfleischbrötchen“ … oder man bestellte sich Würstchen mit Kartoffelsalat. Hinter vorgehaltener Hand war zu hören, dass es „beim Kuche Karl“ verbotenenes Kartenspiel gegeben haben soll. Meist aber ging es in den Wirtshäusern einfach nur gesellig zu. Einen Buchladen gab es in Kleinlinden nicht, und wo die einst beliebten Groschenromane gekauft werden konnten, ließ sich nicht mehr bestimmen. In einigen Haushalten wurde der Lesezirkel abonniert, in anderen die Tageszeitung. Die Zeitungsfrau kam noch in Tracht. Eine Aufzählung der Linneser Geschäfte wäre nicht vollzählig, ohne das Geschäft von Seipps Marie in der Frankfurter Straße zu erwähnen. Bei ihr kaufte man Strick- und Häkelgarn, Unterwäsche und Strümpfe. Was nicht vorrätig war, wurde bestellt und nachgeliefert.
Zwei Stunden Linneser-Frauen-Treff reichten am 12. Dezember nicht aus, um alle Geschäfte in den Blick zu nehmen. Da gab es doch auch noch Fouriers und Häusersch, Milli Zickbauer und die Milchkathrine, Schoppes und die Weinhandlung Glaum … Ganz besonders freuten sich die Frauen über einen Gast aus Eltville. Helga Rau-Kloske hat es vor vielen Jahren zusammen mit ihrem Ehemann Manfred Kloske in den Rheingau verschlagen. Jetzt nutzte sie einen Besuch in der alten Heimat, um bei den Linneser Frauen hineinzuschauen.